Ursprungsbegründung im Präferenzrecht

Handelsware vs. Produktionsware

  • Vor der Ursprungsprüfung ist festzustellen, ob die zu exportierende Ware nur gehandelt wird oder vor Export in der EU ausreichend be- oder verarbeitet wird bzw. vollständig in der EU hergestellt/gewonnen wurde
  • die Ursprungsbegründung durch vollständige Gewinnung/Herstellung betrifft nur wenige Waren, die durch Ernte bzw. Abbau in der EU gewonnen werden, z.B.
    • aus dem Boden oder dem Meeresgrund gewonnene mineralische Erzeugnisse,
    • geerntete pflanzliche Erzeugnisse,
    • geborene oder ausgeschlüpfte und aufgezogene lebende Tiere,
    • Erzeugnisse von gehaltenen lebenden Tieren.
  • viel häufiger wird der Ursprung durch ausreichende Be- und Verarbeitung in der EU begründet
  • bei Handelswaren ergibt sich der präferenzielle Ursprung aufgrund von Präferenznachweisen oder Vor- Lieferantenerklärungen – eine Ursprungsprüfung erübrigt sich, weil nur der Hersteller der Ware bzw. der Vorlieferant beurteilen kann, ob und welchen präferenziellen Ursprung die Ware hat.

Ausreichende Be- oder Verarbeitung in der EU

  • Die ausreichende Be- oder Verarbeitung einer (Produktions-) Ware in der EU wird anhand von Ursprungsregeln geprüft
  • Die Ursprungsregel beschreibt, welche Be- oder Verarbeitungsschritte an den Vormaterialien der fertigen Ware unternommen werden müssen
  • Die Ursprungsregeln finden sich in den jeweiligen Freihandelsabkommen (FHA) der EU
  • Es ist jenes FHA zu prüfen, das auf Ausfuhr-, Bestimmungs-, und Ursprungsland anwendbar ist. Die Ursprungsregeln unterscheiden sich je nach FHA voneinander!
  • Zusätzlich zur Erfüllung der Ursprungsregel muss eine Ware mehr als minimal be- oder verarbeitet worden sein, um als Ursprungserzeugnis zu gelten.

Minimalbehandlung

Wie beschrieben, ist daher die Erfüllung einer Ursprungsregel alleine (z.B. die Erfüllung eines Wertkriteriums) nicht ausreichend um einen präferenziellen Ursprung der Ware zu erreichen. Es ist daher sinnvoll vor Prüfung der Ursprungsregel zu prüfen, ob die Ware mehr als minimal behandelt wurde. Erst wenn die Ware zusätzlich“ mehr als minimal behandelt wurde, kann die Prüfung des Ursprungs gemäß Freihandelsabkommen fortgesetzt werden.

Was versteht man unter einer Minimalbehandlung?

Die Arten der Minimalbehandlungen sind in den jeweiligen Präferenzabkommen erschöpfend aufgezählt. Es gilt die Gesamtbetrachtungsweise. Das heißt, dass auch mehrere Minimalbehandlungen in Summe nur eine Minimalbehandlung darstellen. Die FHA enthalten jeweils Aufzählungen, die weitestgehend übereinstimmen und klar geregelt sind Zum Teil wird jedoch der auslegungsbedürftige Begriff „einfach“ (z.B. einfaches Zusammenfügen) verwendet.

Eine Behandlung ist dann nicht mehr als einfach anzusehen, wenn

  • besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind (Know-How, z.b. Elektrotechnik, Maschinenbau, etc.)
  • man aus technischen Gründen eigens hergestellte oder dafür installierte Maschinen, Geräte oder Werkzeuge benötigt (und nicht nur aus ökonomischen Gründen) ODER
  • sobald in der EU im Rahmen der Herstellung ein Vormaterial mit Ursprung (beispielsweise ein EU Material mit Lieferantenerklärung) funktionsbegründend Verwendung findet, wird die Ware jedenfalls mehr als minimal behandelt angesehen.

Typische Beispiele einer Minimalbehandlung

  • Behandlungen, die dazu bestimmt sind, die Erzeugnisse während des Transports oder der Lagerung in ihrem Zustand zu erhalten
  • Teilen oder Zusammenstellen von Packstücken
  • Waschen, Reinigen, Entfernen von Staub, Oxid, Öl, Farbe oder anderen Beschichtungen
  • Bügeln von Textilien
  • einfaches Anstreichen oder Polieren
  • Schälen, teilweises oder vollständiges Bleichen, Polieren oder Glasieren von Getreide und Reis
  • Behandlungen zum Färben von Zucker oder Formen von Würfelzucker
  • Enthülsen, Entsteinen oder Schälen von Früchten, Nüssen und Gemüse
  • Schärfen, einfaches Schleifen oder einfaches Zerteilen
  • Sieben, Aussondern, Einordnen, Sortieren, Einstufen, Abgleichen (einschließlich des Zusammenstellens von Sortimenten)
  • einfaches Abfüllen in Flaschen, Dosen, Fläschchen, Säcke, Kästen oder Schachteln, Befestigen auf Karten oder Brettchen sowie alle anderen einfachen Verpackungsvorgänge
  • Anbringen oder Aufdrucken von Marken, Etiketten, Logos oder anderen gleichartigen Unterscheidungszeichen auf den Erzeugnissen selbst oder auf ihren Verpackungen
  • einfaches Mischen von Erzeugnissen, auch verschiedener Arten
  • Mischen von Zucker mit anderen Vormaterialien
  • einfaches Zusammenfügen von Teilen eines Erzeugnisses zu einem vollständigen Erzeugnis oder Zerlegen von Erzeugnissen in Einzelteile
  • Zusammentreffen von zwei oder mehr der unter den Buchstaben a bis n genannten Behandlungen
  • Schlachten von Tieren

Beispiel „einfaches Zusammenfügen“

Das Herstellen eines Rasenmähers aus Rasenmäherteilen, wird als „einfaches Zusammenfügen von Teilen“ und damit als minimale Behandlung bewertet. Es ist daher erforderlich, dass zumindest ein Teil der Vormaterialien aus der EU funktionsbegründend in der Fertigung eingesetzt werden. Hier im Beispiel sind es die Reifen, die EU Ursprung haben. Ohne Reifen könnte ein Rasenmäher dieser Bauart nicht seiner Funktion gerecht werden. Die Reifen sind daher funktionsbegründend eingesetzt. Würden statt der Reifen, diverse Embleme mit Ursprung EU zugekauft, wäre der Herstellungsprozess nur minimal. Die Embleme sind nämlich nicht unmittelbar kausal für die Funktion (Mähen) des Rasenmähers.

Identifizierung von Vormaterialien

  • nicht alle Vormaterialien müssen im Sinne der Ursprungsregel be- oder verarbeitet werden
  • Aus Sicht des präferenziellen Ursprungs unterscheiden wir daher zwischen
    • Vormaterialien mit Ursprung (VmU)
    • Vormaterialien ohne Ursprung (VoU)
  • Vormaterialien ohne Ursprung
    • Materialien ohne Ursprungseigenschaft
    • sogenannte Drittlandsmaterialien ohne Präferenznachweis
  • Vormaterialien mit Ursprung
    • Materialien mit Ursprungseigenschaft
    • die Materialien erfüllen bereits die Ursprungsregeln des jeweiligen FHA
    • als formeller Nachweis muss eine Lieferanterklärung oder ein Präferenznachweis aus der gemeinsamen Präferenzzone vorliegen
    • fehlt ein Nachweis, ist die Ware als VoU anzusehen
  • neutrale Elemente
    • sind Erzeugnisse, die nicht in die endgültige Zusammensetzung des herzustellenden Erzeugnisses eingehen bzw. nicht eingehen sollen. (z.B. Energie, Maschinen, Brennstoffe, Schmierstoffe, etc.)
  • Merke: nur VoU müssen ausreichend Be- oder Verarbeitet werden!

Aufteilung von Vormaterialien

Nachdem die Vormaterialien identifiziert wurden, werden Sie in VoU und VmU aufgeteilt!

Arten von Ursprungsregeln

  • Nach Aufteilung der Vormaterialien identifizieren Sie die Ursprungsregel über die Zolltarifnummer der fertigen Ware
  • Eine praktische Möglichkeit zur Identifizierung der Ursprungsregel stellt die Datenbank WUP dar
  • Die Ursprungsregel beschreibt welche Kriterien die VoU erfüllen müssen, damit die fertige Ware als Ursprungserzeugnis angesehen wird
  • Die meisten FHA unterscheiden zwischen:
    • Verarbeitungsklauseln
    • Wertklauseln
    • Kombination von Wert- und Verarbeitungsklauseln
    • Herstellungsklauseln

Beispiel für eine Ursprungsregel (entnommen aus der WUP)

Anwendung der Ursprungsregel

  • Die Spalten (1) und (2) der obenstehenden Tabelle dienen dabei dazu, das hergestellte Erzeugnis an der richtigen Stelle in der Liste einzuordnen.
  • In der Spalte (1) steht das Zolltarif-Kapitel (zweistellige Nummer), die vierstellige Zolltarif-Position oder die sechsstellige Zolltarif-Unterposition des Erzeugnisses, in der Spalte (2) die Warenbezeichnung, die für dieses Kapitel oder diese Position verwendet wird.
  • Die Spalten (3) und (4) der Tabelle führen die Be- oder Verarbeitungen an, die an den (Vor-) Materialien ohne Ursprungseigenschaft (VoU) durchzuführen sind, um der hergestellten Ware einen Ursprung zu verleihen.
  • Zwischen den Spalten (3) und (4) ergibt sich ein Wahlrecht
  • Ist nur eine Spalte befüllt, gibt es kein Wahlrecht
  • Neuere Abkommen verfügen meist nur mehr über eine einzige Regel! (d.h. kein Wahlrecht)
  • In einer Spalte sind mehrere, durch Anstriche gekennzeichnete, Bedingungen aufgeführt:
    • diese sind alle zu prüfen – hier besteht kein Wahlrecht. Ein Wahlrecht besteht nur, wenn mehrere Bedingungen mit einem “oder” aufgeführt sind.

Anwendung von Verarbeitungsklauseln

Verarbeitungsklauseln sehen vor, dass nur bestimmte Vormaterialien aus bestimmen – meist von der fertigen Ware verschiedenen – HS Positionen oder HS Unterpositionen zur Erzeugung verwendet werden dürfen

Beispiel: Herstellung einer Gipskartonplatte mit Ursprung EU

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Die Vormaterialien müssen in eine andere HS Position als die fertige Ware eingereiht werden.
In FHA mit Japan, UK, NZ, etc. ist mit CTH/CTSH die Verarbeitungsklausel gemeint.

Anwendung einer Wertklausel

  • Wertklauseln stellen auf eine bestimmte Wertschöpfung in der EU ab.
  • bestimmt wird die Relation von Ab-Werk-Preis der fertigen Ware zum Zollwert der verwendeten VoU (Einkaufspreis mit Transportkosten ohne Abgaben).
  • Der Ab-Werk-Preis ist der Preis den der Käufer ab Verladerampe zu zahlen hat um die Ware zu erlangen (inkl. Herstellungskosten und Gewinnaufschlag, Rabatte sind herauszurechnen)
  • Der %-Wert der Ursprungsregel ist die absolute Obergrenze (d.h. es ist keine Addierung mit dem Toleranzprinzip bei Wertklauseln möglich)
  • Kalkuliert wird auf den Einzelfall
  • Durchschnittspreise sind nur in manchen FHA und dort nur nach zollamtlicher Bewilligung erlaubt.
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Herstellungsklauseln

Herstellungsklauseln sehen einen bestimmten Produktionsprozess vor. Häufig kommen diese im Textilbereich vor, z.B. Wirken oder Stricken mit Konfektionieren (einschließlich Zuschneiden) eines Pullovers.

Kombination von Wert- und Verarbeitungsregel

  • Sieht das Ursprungsprotokoll eine Kombination von Ursprungsregeln vor, sind beide verpflichtend zu erfüllen
  • erkennbar ist dies an dem Wort „und“ zwischen den Teilstrichen
  • Beispiel Maschinen des Kapitel 84 (C-Konvention)
  • Herstellen
    — aus Vormaterialien jeder Position, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie die hergestellte Ware
    und
    — bei dem der Wert aller verwendeten Vormaterialien 40 v. H. des Ab-Werk-Preises der hergestellten Ware nicht überschreitet

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